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HOUSING NOW

Ein Interview mit dem Förderverein Roma e.V. über die Situation in Frankfurt und die Forderung nach einem Haus für Roma.

Am 25. März um 17:00 diskutieren Aktivist*innen vom Hausprojekt Habersaathstraße aus Berlin Mitte und der Förderverein Roma e.V. aus Frankfurt am Main mit Vertreter*innen der Stadtregierungen Berlin und Frankfurt über konkrete Maßnahmen gegen die Wohnungskrise - die Online-Veranstaltung findet auf www.synnika.space statt. Vorab veröffentlichen wir ein Interview mit dem Förderverein Roma e.V. über die Situation in Frankfurt und dessen Forderung nach einem Haus für Roma.

Synnika: Wie ist die aktuelle Situation von Obdachlosen besonders Migrant*innen aus Mittel- und Südosteuropa in Frankfurt am Main?

Joachim Brenner: Im Jahr 2021 wurden über die Sozialberatung des Förderverein Roma e.V. ca. 100  Personen betreut, die ohne Wohnsitz waren, d. h. auf der Straße lebten oder bei Freunden und Verwandten vorübergehend schlafen konnten. Darunter sind auch Kinder. Knapp 2/3 der Hilfesuchenden, etwa 550 Menschen, haben keine eigene Wohnung. Sie sind in Wohnheimen, Notunterkünften oder Hotels untergebracht. Die Dunkelziffer der Obdachlosen wird höher sein, da nicht alle Betroffene die Beratung aufsuchen und davon auszugehen ist, dass Menschen, die lediglich eine Postadresse über die Sozialberatung des Förderverein Roma einrichten, in der Regel nicht über eine eigene Wohnung verfügen. Auch unter den Geflüchteten aus der Ukraine sind viele Roma. Sie sind in einer besonders schwierigen Situation da sie zumeist keine Papiere haben und schon während der Flucht an den Landesgrenzen zu Opfern von rassistischer Segregation werden. Diese Situation droht sich auch bei ihrer Ankunft in Deutschland fortzusetzen wenn nicht ausreichend Räume geschaffen werden, die auch Minderheiten und Menschen ohne Papiere unbürokratisch Hilfe und Schutz bieten.

S: Welchen Eindruck bekommt ihr in Eurer Sozialberatung davon wie sich die Situation durch Corona verändert hat? Sind Notschlafangebote für Obdachlose unter Corona-Bedingungen überhaupt noch eine Option?

JB: Die Pandemie hat die Situation verschärft. Es gab teilweise in Unterkünften Corona Ausbrüche, die auf zu kleine und überbelegte Räumlichkeiten, in denen keine Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden können, zurückzuführen sind. Zudem sind die erforderlichen Tests nicht durchgeführt worden. Dies hätte bei positiven Ergebnissen die Unterbringung in Einzelunterkünften, die nicht bereitstehen, bedeutet. Generell hat Corona viele Menschen in der Sozialberatung verunsichert und enorme Ängste hervorgerufen. Fast alle Roma Familien haben negative Erfahrungen mit staatlichen Gesundheitsprogrammen gemacht und stehen deshalb der Impfung gegen Corona sehr skeptisch gegenüber – was leider auch zu einer hohen Infektionsrate und teilweise dramatischen Verläufen führt. Mehr denn je ist die Versorgung mit angemessenem Wohnraum erforderlich – darunter sind keine Notunterkünfte, Bahnhofsräume oder Heime bzw. Hotels zu verstehen.

Nach unserer Meinung ist die Bereitstellung von angemessenem Wohnraum ein zentrales Anliegen, sie ist unbedingt notwendig. Unterkünfte in Bahnhöfen, überbelegte Notunterkünfte, zu kleine, überteuerte, nicht kindgerechte Hotelzimmer und Wohnheime mit nicht ausreichenden Flächen sollten der Vergangenheit angehören und durch angemessenen Wohnraum ersetzt werden. Seit etwa einem Jahr wird versucht, zumindest die restriktive Prüfung auf Erteilung von Unterkünften für obdachlose EU-BürgerInnen abzubauen. Aktuell verzeichnen wir einen Rückschritt.  

S: Warum konnte die Forderung nach einem Haus für Roma in Frankfurt bisher nicht umgesetzt werden? Gibt es Fortschritte? Seit einiger Zeit steigen die Leerstände von Gewerbe- und Büroflächen in Frankfurt wieder, es gibt sogar eine von der Stadt Frankfurt gegründete Konversionsgesellschaft (KEG), die sich der Umnutzung solcher Gebäude in Wohnraum widmet - wäre so nicht auch die Realisierung eines Hauses für Roma denkbar?

JB: Kontakte mit der KEG hat der Verein seit Jahren – auch weil er selbst ständig auf der Suche nach Büro- und Arbeitsräumen ist. Ein geeignetes Objekt, das auch anmietbar war, wurde nicht gefunden. Letztlich liegt die Umsetzung des Gemeindezentrums und des Hauses für Roma am politischen Willen der Verantwortlichen. Die Verbesserung der Wohnsituation, die Vermeidung von Obdachlosigkeit und die Bereitstellung von angemessenem Wohnraum ist Teil der Vereinbarung der regierenden Koalition – explizit auch hinsichtlich der Lage von wohnsitzlosen Roma-Familien. Der Förderverein Roma stellt aufgrund der erfahrenen Ausgrenzung, von denen viele Hilfesuchende aus den verschiedenen Unterkünften berichten, seit Jahren die Forderung nach einem eigenen Haus für Roma, das angemessenen und ausreichenden Wohnraum für Einzelpersonen, Paare und Familien bietet. Es gab bisher keine Gespräche mit den entsprechenden Dezernaten bezüglich der Möglichkeit einer Umsetzung der Idee. Der OBR Innenstadt, die Fraktion der Grünen, hat sich allerdings gemeldet und beginnt in der Sache aktiv zu werden.  

DSC5547Over my Dead Body (2022), eine aktuelle Installation von Arts of the Working Class im Synnika, dem experimentellen Raum für Praxis und Theorie im Frankfurter Bahnhofsviertel,
Foto: Wolfgang Günzel.

 

Links:
http://www.romea.cz/en/news/world/roma-and-other-people-of-color-fleeing-war-in-ukraine-face-discrimination-and-racism-jaroslav-miko-tells-romea-tv-that
http://artsoftheworkingclass.org/text/obdachlos-sein-ist-teuer

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Housing Now - Online-Konferenz auf www.synnika.space

Am 25. März um 17:00

Eine Diskussion über Maßnahmen gegen die Wohnungskrise mit dem Förderverein Roma e.V., Frankfurt am Main, den Aktivist*innen des Hausprojekts Habersaathstraße, Berlin und Vertreter*innen der Stadtregierungen Frankfurt/M. und Berlin - moderiert von Arts of the Working Class und Synnika.

Im Dezember letzten Jahres besetzten Wohnungslose zum zweiten Mal das leerstehende ehemalige Schwesternheim der Charité in der Habersaathstraße in Berlin Mitte - mit Erfolg. Der Eigentümer hatte ursprünglich den Abriss des Nachkriegsbaus geplant um Luxuswohnungen zu errichten. Nun wird das Gebäude kommunalisiert und durch die ehemals obdachlosen Aktivist*innen in ein selbstverwaltetes Wohnprojekt umgewandelt. Unterstützt wird die Besetzung von Sozialarbeiter*innen, die im Haus bereits eine offene Beratungsstelle eingerichtet haben.

Der Förderverein Roma e.V. fordert seit Jahren ein Haus für Roma in Frankfurt am Main. Hier sind Migrant*innen aus Osteuropa besonders stark von Obdachlosigkeit betroffen. Durch die Corona-Pandemie stellen die bisherigen Unterbringungsmaßnahmen in Massenunterkünften zudem ein besonderes Risiko dar. Konkrete Alternativen sind somit auch in Frankfurt mehr als dringlich gefragt, und das bei aktuell stark zunehmendem Leerstand an Büro- und Geschäftsräumen, insbesondere im Innenstadtbereich.

In dieser Situation extremer Wohnungsnot werden wir mit den eingeladenen Aktivist*innen und Vertreter*innen der Städte Frankfurt (Bernhard Maier, Grüne) und Berlin (Katalin Gennburg, Linke) über mögliche und notwendige Gegenmaßnahmen sprechen.

Die Diskussion findet online und in deutscher Sprache statt - bei Bedarf mit englischer Übersetzung (bitte vorab per Email anmelden). Der Link zur Veranstaltung findet sich am Veranstaltungstermin auf www.synnika.space.

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